EMOTIONAL UNABHÄNGIG

Als Kinder erfahren wir, wie es ist, von Zuneigung anderer abhängig zu sein. Als Erwachsene bekommen wir die Einladung zu erfahren, wie es ist, davon frei zu sein.

Es war an einem Weihnachtsabend. Wir feierten mit der gesamten Familie. Ich besorgte für alle Geschenke. Als dann der Moment des Auspackens kam, stellte sich heraus, dass für mich niemand ein Geschenk hatte. Ich fühlte mich schrecklich. Nicht, weil ich unbedingt wieder Socken bekommen wollte, sondern weil niemand an mich gedacht hatte. Ich verbarg mit großer Not meine Tränen und sobald es möglich war, zog ich mich zurück.

Ich lag voller Trauer im Bett. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich so fühlte. Schwierige Familienverhältnisse, Mobbing in der Schule, einige gescheiterte Beziehungen hinter mir. Ich fühlte mich oft unwichtig, klein und übersehen.

Mein Instinkt sagte mir, dass dieser Abend eine sehr wichtige Botschaft für mich bereithielt. Ich lag da und lauschte mit offen Sinnen. Und dann sah ich es ganz deutlich vor mir.

Mein Leben war wie diese Weihnachten. Ich war immer bemüht, für andere da zu sein und sie zu beschenken, aber nicht, weil ich so viel zu geben hätte, sondern weil ich mir erhoffte, einiges zurückzubekommen.

Ich war abhängig, absolut abhängig von der Zuneigung anderer. Ich habe harmonische Beziehungen gebraucht und ich tat alles, um sie zu haben.

Ich arbeite an mir und fürchtete mich vor jeder Kritik oder Ablehnung. Ich litt, wenn niemand da war, der mich liebte.

Warum? Weil ich selbst nichts für mich hatte.

Mein Leben war wie diese Weihnachten. Wenn niemand für mich ein Geschenk hatte, bekam ich einfach nichts.

Ich sah, wie normal und üblich das ist. Wie viele von uns so vieles tun, um Liebe, Anerkennung und Zuneigung zu erhaschen.

An dem Abend sah ich ganz deutlich, dass ich eine Einladung bekommen hatte. Eine Einladung zu wachsen und wirklich erwachsen zu werden.

Denn Erwachsen sein bedeutet auch, unabhängig zu sein.

Ich kann emotional unabhängig werden. Ich muss die Liebesquelle in mir anvisieren, mein Fokus auf sie setzen, eine Verbindung zu ihr herstellen und meine emotionalen Bedürfnisse aus mir heraus für mich erfüllen.

Ich sah, wie unerschöpflich und groß meine eigene Liebesquelle ist. Liebe, Zuspruch, Anerkennung, Motivation, Kraft …in mir ist alles.

Ich kann die Beziehungen zu meinen Mitmenschen genießen, ich muss von ihnen aber nicht mehr abhängen. Was für eine Befreiung für mich, aber auch für andere.

Ich begann den Weg der radikalen Selbstliebe. Umso mehr ich meiner eigenen inneren Quelle vertraute und mich von ihr versorgen ließ, umso mehr konnte ich andere so respektieren, wie sie sind.

Jetzt kann ich meine Lieben wirklich beschenken, denn jetzt habe ich auch wirklich etwas zu geben.

Kritik oder Ablehnung sind unangenehm wie ein Zahnarztbesuch, sie tun aber nicht mehr in der Seele weh.

Wie siehst du das? Wie viele Erwachsene Menschen kennst du?

Nur weil man einen ausgewachsenen Körper hat, ist man noch lange nicht erwachsen. Der biologische Körper wächst und altert, der Geist tut es aber ebenso.