Wenn nicht alles leicht ist - wenn das "Schicksal" zuschlägt. WAS DANN? Eine wahre Geschichte
In ein paar Tagen ist es 6 Jahre her. Unser Sohn kam zur Welt und brachte mich, meinen Mann und unsere Ehe an Rand körperlicher, emotionaler und seelischer Belastbarkeit.

In ein paar Tagen ist es 6 Jahre her. Unser Sohn kam zur Welt und brachte mich, meinen Mann und unsere Ehe an Rand körperlicher, emotionaler und seelischer Belastbarkeit.
Ich war damals eine große Träumerin und auch ein bisschen auf dem Bio-Spirituell-Heilewelt-Wunsch-Trip. Ich wollte eine richtig gute Mama werden. Frisch und lecker kochen, meinem Kind die Natur nahebringen, ich wollte Antibiotika nur in Ausnahmefällen einsetzen und lieber auf Homöopathie setzen. Ich hatte einen Platz im Geburtshaus.
Was mir eindeutig fehlte, war eine richtig gute Ladung Pragmatismus und Bodenständigkeit. Davon hatte ich so gut wie nichts.
Bereits in der 24. Woche war klar, irgendetwas stimmt nicht. Die Klarheit wurde immer größer und meine Vorstellung von einer heilen Welt verblich. Ich musste mich von dem Geburtshaus verabschieden. Und von vielen mehr …
Ich konnte meinen Sohn noch nicht einmal auf dieser Welt begrüßen. Sobald er mein Bauch verlassen hat, wurde er auch schon weggetragen.
Die unglaubliche Leere und Traurigkeit kann ich kaum beschreiben. Gerade noch verbunden, war ich ganz allein dageblieben. Schrecklich leer und verlassen und gleichzeitig voller Angst um mein Kind.
Das fehlende Bonding hatte wirklich Auswirkungen. Wir hatten keinen Körperkontakt. Ich wusste im Kopf, ich bin eine Mutter, ich wusste es im Herzen, aber ich fühlte es irgendwie nicht.
Die ersten zwei Wochen auf der Intensivstation waren sehr schlimm. Es gab Tage, da dürfte ich ihn gar nicht sehen. Sie erzählten mir, dass er viel schreit. Ich fühlte seine Verzweiflung, seine Angst so allein zu sein und konnte nicht zu ihm. Es war kaum zu ertragen.
Er lag insgesamt 10 Wochen im Krankenhaus, wurde nur durch die Vene ernährt, konnte oral fast nichts essen. Er hatte so viele Schläuche am Körper, dass er die ersten drei Monate seines Lebens nur in seinem Bett verbringen konnte.
Obwohl ich solange bei ihm war, wie ich konnte - es war nie lange genug. Ich fühlte mich unglaublich überfordert.
Eines Tages komme ich ihn besuchen, hebe die Decke hoch und sehe sein Darm aus dem Bauch ragen. Ich wurde fast ohnmächtig. Er schrie solange vor Einsamkeit, dass sein Darm aus seinem künstlichen Darmausgang herausgedrückt wurde.
Ich musste also draußen warten, bis die Ärzte mit einem Löffel sein Darm wieder in den Bauch hereindrücken. Wie geht man mit so einer Situation um? Ich hatte gar keine Ahnung. An dieser Stelle wäre Pragmatismus wirklich hilfreich.
Ab da schoben wir Nachtschichten. Ich war den ganzen Tag da und mein Mann saß die ganze Nacht neben ihm.
Als er endlich zu Hause war, waren wir beide völlig traumatisiert. Er schlief nur neben mir, sobald ich für eine Minute den Raum verlassen hat, war er wach.
Er ließ mich ganze 2,5 Jahre nicht länger als 2 Stunden am Stück schlafen. Ich lief wie ein Zombie durch die Welt, mein Nervenkostüm konnte sich einfach nie regenerieren.
Das erste Jahr hatte er Neurodermitis, konnte seine Tage nur mit Handschuhen an den Fingern erleben und schrecklichen Juckreiz ertragen. Er hustete 6 – 8 Stunden täglich, nachts so laut, dass die Nachbarn davon wach wurden. Mit einem Jahr wog er nur 6 Kilo.
Dann kam endlich eine Diagnose, kurz vor Weihnachten.
Mein Sohn hat Mukoviszidose. Es ist angeboren, nicht heilbar – aber therapierbar. „Er kann nach dem heutigen Stand der Medizin locker 40 Jahre alt werden“, sagte der Arzt und schaute mich voller Mitleid an.
Schon wieder half mir meine Träumernatur kein bisschen. Wie verarbeitet man solche Nachrichten? Wie geht man damit um????
Wir begannen mit einem kleinen Kind täglich zu inhalieren und Physiotherapie zu machen.
Erklären sie einem Einjährigen, dass er eine Maske am Gesicht haben muss, wenn neben ihm ein Gerät einen Höllenlärm macht.
Der Husten wurde besser.
Aber er wollte nichts essen. Die Muko-Patienten müssen viel mehr Kalorien zu sich nehmen wie normale Menschen. Ihr guter Zustand hängt davon ab, wie gut ernährt sie sind. Da der Körper die Nahrung nicht so gut verarbeitet und dazu die Pankreas oft nicht mehr funktioniert, ist das Essen wesentlich.
Tristan traute sich nicht zu essen. Er wollte nur gestillt werden.
Ich musste alle regelmäßig zur Kontrolle, jedes Mal wurde ich dazu aufgefordert, ihm eine Magensonde installieren zu lassen.
Viele Eltern kennen das. Du bekommst Druck, dein Kind soll essen. Es will aber nicht. Ich wollte die Magensonde nicht, Tristan wollte nicht essen.
Es gab Tage, Wochen, Monate in den ich täglich das Gefühl hatte, ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Alles, was ich bis dahin lernte, gab mir kein Hinweis. Ich wusste nicht, wie ich es verarbeiten soll, wie ich damit umgehen soll, wie ich ihn und mir helfen kann.
Ich hatte keine Antworten.
Ich wurde auf einen Schlag Mutter und gleichzeitig Krankenschwester.
Ich hatte keine Familie um mich und niemanden, den ich fragen wollte. Alle schienen genauso überfordert wie ich.
Meine naive Vorstellung von einer liebevollen Mama, die für ihr Kind nur Bio-Sachen kocht (ja wirklich), Baby-Massagen macht, Homöopathie anwendet und ihn mit der Natur spielen lässt.
Tja, ich saß bei einem Arzt, der mir Monat für Monat erzählte: „Lassen sie ihr Kind alles essen.“ „Aber er mag nur Chips und Schokolade!“ „Na das ist wunderbar!!!! Das hat viele Kalorien“.
Ich wollte sparsam mit Antibiotika sein. Er bekommt sie seit zwei Jahren täglich.
Ich wollte ihn so natürlich wie möglich aufwachsen sehen, jetzt muss ich auf Keime achten.
Ich besitze die Selbstverständlichkeit nicht, die die Eltern der gesunden Kinder haben. Diese Vorstellung von Zukunft und Enkelkindern.
Ich muss immer nur dankbar sein für das JETZT. Für die Tage, die gut verlaufen und sein Zustand nicht verschlimmern.
Wie sinnlos erscheinen mir die Sorgen der Vergangenheit. Welches Essen ist das Richtige? Welche Klamotten? Welcher Kindergarten? Wann bin ich eine gute Mutter?
So viele Eltern machen sich so viel Stress, der mir jetzt so unnötig erscheint.
Ich muss dafür sorgen, dass mein Kind atmen und ausscheiden kann. Das relativiert alles.
Ich löste in den letzten Jahren so viele Probleme, so viele Herausforderungen, für die ich keine Anleitung hatte.
Mein Sohn ist ein selbstbewusster, fröhlicher, essender Junge geworden, der versteht, dass er ein bisschen anders ist und manche Dinge anders machen muss.
Jahrelang saß ich Tag für Tag da und hatte keine Antworten. Was ich tat?
Ich gab einfach jedes Mal zu, dass ich keine Ahnung hatte und erlaubte mir, diese Ahnungslosigkeit und Überforderung zu fühlen. Ich bat meine Seele um Hilfe.
Ich musste mich in dem Vertrauen üben, dass ich viel größer bin als die Persönlichkeit, die ich in dem Moment wahrnahm. Ich musste darauf vertrauen, dass jede Antwort in mir vorhanden ist.
Ich gab zu, ich weiß nicht weiter und dann machte ich mich leer und wartete auf Inspiration.
Sie kam immer. Wirklich immer. Nicht gleich – sondern dann, wenn ich soweit war. So konnte ich einen Schritt weiter gehen. Nur einen einzigen.
Am nächsten Tag musste ich wieder fragen …
Tag für Tag.
Ich bin immer noch ein Träumer und Visionär – aber jetzt mit beiden Füssen auf der Erde – bodenständig – pragmatisch – strukturiert.
Ich erfuhr: egal, was im Leben geschieht – es hat immer einen GUTEN Sinn.
Wenn du nicht in der Lage wärst mit deinem „Schicksal“ umzugehen – würde es auch nicht geschehen. Jede Antwort und jede Lösung sind in dir vorhanden.
Wie siehst du das? Wie meisterst du schwierige Situationen?


